Was man an Reden vermeintlich simultan gedolmetscht hört, ist fast immer vorab schriftlich übersetzt und wird live tatsächlich abgelesen. Ich konnte einmal bei einer Rede des EZB-Präsidenten auf Phoenix jedes Wort mitsprechen, das ich vorher übersetzt hatte und die „Simultan-Dolmetscherin“ vorlas . . .
Aktuelleres Beispiel: 20. August 2024, der Nominierungs-Parteitag der Demokraten. Beide Obamas hielten mitreißende Reden – Michelle regelrecht feurig, beide sprachen frei. Nicht so der „Simultan-Dolmetscher“, der tags darauf auf Phoenix zu hören war. Auch hier war zu erkennen, dass nicht simultan gedolmetscht, sondern eine vorab angefertigte, schriftliche Übersetzung verlesen wurde. Wieder mit den Pausen, die den Eindruck erweckten, dass hier live simultan gedolmetscht wurde. Da aber – anders als im Englischen – im Deutschen das Verb/Prädikat erst am Ende des Satzes kommt und alles sonst noch Wesentliche davor, muss man beim echten Simultan-Dolmetschen ins Deutsche erst abwarten, was dieses andere Wesentliche ist, bevor man den ganzen Satz mit dem Prädikat am Ende wiedergeben kann. Deshalb nützt es der Dolmetscherin auch nicht viel, wenn Sprecher freundlicherweise mitten im Satz eine Pause machen, denn sie muss erst alle anderen Satzteile hören, bevor sie den ganzen Satz mit dem Verb/Prädikat am Ende wiedergeben kann. Dieser „Simultan-Dolmetscher“ wusste allerdings im Voraus, welche anderen Satzteile folgen würden, und las schon die Übersetzung von Satzteilen vor, die von den Rednern hörbar erst später gesprochen wurden.
Fazit: Wieder dieses vermeintliche Simultandolmetschen, das dann für echt gehalten wird und so schön flüssig und mühelos wirkt. Kein Wunder, dass die Dolmetscherin nach realen Einsätzen gefragt werden kann: „Waas? DAS war simultan?“ Ja. Echt simultan statt simuliert. Mit Pausen, mit Auslassungen, mit Fehlern. Weil die Struktur der Sprachen unterschiedlich ist.